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Kritische Phase |
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Der Übergang von der Anfangs- in die kritische Phase wird durch das Auftreten erster Kontrollverluste markiert. Mit dem Kontrollverlust erreicht die prozeßhafte Entwicklung der Abhängigkeit das Stadium, ab dem man im engeren Sinne von einer Erkrankung sprechen kann. Auch der Kontrollverlust selbst, hinter dem es dann langfristig kein Zurück mehr gibt, zeigt alle Eigenschafen prozeßhaftem Anwachsens: |
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8. Kontrollverlust
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Unwiderstehliches Verlangen nach mehr Alkohol nach dem ersten Glas (Kontrollverlust) |
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9. Alibis
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Erklärungen, warum man so trinke (Alkoholausreden, Alibis) |
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10. Reaktionen der Umwelt
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Infolge der zahlreicher und massiver werdenden Kontrollverluste wird das soziale Umfeld des Alkoholikers zunehmend auf sein Trinkverhalten aufmerksam. Familienangehörige, Freunde, Arbeitskollegen und/oder Vorgesetze sprechen ihn auf seine "Fahne" oder andere Auffälligkeiten an, warnen und kritisieren ihn oder machen ihm sein Trinkverhalten zu Vorwurf. |
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11. Kompensation des Verlustes an Selbstachtung
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Zunehmende Kontrollverluste und damit im Zusammenhang stehende Mißerfolgserlebnisse sowie die Kritik der Umwelt führen beim Alkoholker zu einem schleichenden Verlust an Selbstachtung. Um diesen Verlust an Selbstakzeptanz zu kompensieren (ihm entgegen zu wirken) bzw. ihn nach außen nicht sichtbar werden zu lassen, stellt der Betroffene für sich und andere vor allem die Dinge und Bereiche positiv heraus, in denen er noch gut funktioniert. |
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12. Auffällig aggressives Benehmen
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Aufgrund seiner schwindenden Selbstachtung, der zunehenden Kritik von anderen und dadurch, dass er mit seinem Erklärsystem immer weniger überzeugen kann, legt der Alkoholiker ein im Vergleich zu vorher ungewohnt aktiv oder passiv aggressives Verhalten an den Tag. |
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13. Dauerndes Schuldgefühl als Anlaß zum Trinken
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Das in den Punkten 8 bis 12 beschriebene Verhalten führt trotz aller Abwehrbenühungen des Alkoholkers zu immer bedrückenderen Schuldgefühlen, die der Betroffene dann häufig durch erneutes Trinken zu beseitigen versucht (Teufelskreis). |
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14. Zeiträume völliger Abstinenz
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Infolge der häufig abschreckenden Kontrollverlusterfahrungen und oft auch des zunehmenden sozialen Druckes aus der Umwelt gelingt es dem Alkoholiker nicht selten, längere oder kürzere Zeiträume völliger Alkoholabstinenz einzuhalten, die er fälschlicherweise als Beweis dafür nimmt, dass er sein Trinken wieder "im Griff" habe und daher auch wieder kontrolliert trinken könne. |
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15. Änderung des Trinksystems
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Zur Begrenzung und Vermeidung der unerwünschten Folgen des Kontrollverlustes entwickelt der Alkoholiker ein Trinksystem mit von ihm festgelegten Regeln. So versucht er z. B. nicht vor einer bestimmten Tageszeit mit dem Trinken zu beginnen, nur noch am Wochenende, nur noch an bestimmten Orten oder nur noch eine bestimmte Art (z. B. nur noch Bier) und Menge Alkohols zu trinken oder ähnliches. |
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16. Fallenlassen von Freunden
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Da der Alkoholiker befürchtet, dass seine soziale Umwelt die Veränderung in seinem Verhalten, insbesondere seine Unfähigkeit, sein Trinken zu kontrollieren, bemerkt, zieht er sich zunehmend von seiner Umwelt zurück. |
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17. Konsequenzen am Arbeitsplatz
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Der inzwischen gewachsene Drang zum Weitertrinken wirkt sich nunmehr auf das Verhalten am Arbeitsplatz aus. Oft merkt der Alkoholker selbst ein Nachlassen seiner Arbeitsmotivation, seiner Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit. Kollegen und Vorgesetzten fällt er nicht selten durch Unpünktlichkeit, Unzuverlässigkeit, häufiges "Krankfeiern", unangemessenes, reizbares Verhalten oder mit einer "Alkoholfahne" auf. |
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18. Trinken ersetzt soziale Kontakte
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Inzwischen hat das Trinken des Alkoholikers den Stellenwert eines universellen Hilfs- und Heilmittels erlangt. Dies führt dazu, dass der Alkoholiker z. B. in schwierigen Lebenssituationen, bei Problemen oder Konflikten nicht mehr um soziale Unterstützung nachsucht, sondern eher dazu geneigt ist, auch hier den Alkohol als Medizin und Seelentröster einzusetzen. |
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19. Trinken wird wichtiger als Interessen
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Hatte der Alkoholiker bislang sein Trinken überwiegend in geeigneten Lücken (Pausen) seines normalen Tagesablaufes unterzubringen vermocht, so führt sein gesteigertes Trinkbedürfnis nunmehr dazu, seinen Tagesablauf immer mehr zu verändern: Der Tagesablauf wird den Trinkbedürfnissen angepasst. |
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20. Trinken wird wichtiger als Nahestehende
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Durch die massiv zunehmende Kritik, acuh der engeren Vertrauenspersonen (Partner, Familie, enge Freunde) an seinem Trinkverhalten, gerät der Alkoholiker unter einen erheblichen Druck. |
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21. Auffallendes Selbstmitleid
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Der Alkoholiker bemerkt, dass er sich der von ihm als unangemessen empfundenen Kritik seiner Umwelt an seinem Trinkverhalten trotz seiner ernstgemeinten, aber meist erfolglosen Bemühungen letztlich nicht zu entziehen vermag. Oft fühlt er sich dabei von allen unverstanden und abgelehnt. Er neigt dazu, sich resignierend einem auffallenden Selbstmitleid zu überlassen, das ihm nicht selten als Alibi für erneutes Trinken dient. |
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22. Gedankliche oder tatsächliche Flucht
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Selbstmitleid, zugespitzter sozialer Druck und die verschärfte soziale Isolation verstärken beim Alkoholiker die unbestimmte Hoffnung, unter veränderten äußeren Gegebenheiten (anderer Wohnort, andere Arbeitsstelle, anderer Partner o. ä.) sein Leben und insbesondere sein Trinkverhalten wieder "in den Griff" bekommen zu können. |
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23. Änderungen im Familienleben
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Im Zuge dieser Entwicklung treten dann auch Veränderungen im Zusammenleben der Familie und im Verhalten der einzelnen Familienmitglieder ein. Ursache dieser Veränderung ist zunächst häufig der Versuch der Familienmitglieder, den Alkoholiker im Auge zu behalten und vor Schaden zu bewahren. Nachdem diese Versuche nichts gefruchtet haben, versuchen die Familienmitglieder im allgemeinen, dem Alkoholiker aus dem Weg zu gehen und eventuell eigene Interessen wieder aufzunehmen bzw. neue zu entwickeln. |
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24. Grundloser Unwillen
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Aufgrund seiner Angst vor Kritik, Schuldgefühlen, Selbstzweifeln, unterdrückten Trinkwünschen oder Entzugsdruck lebt der Alkoholiker jetzt in einem anhaltenden Spannungszuzstand, der oft bei ihm einen grundlosen, d. h. nicht durch einen äußerlich ersichtlichen Anlass gerechtfertigten, Unwillen auslöst. Dies kann sich z. B. in ausgeprägter Ungeduld, auffallender Gereiztheit, raschem Aufbrausen oder extrem leichter Kränkbarkeit zeigen. |
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25. Sichern des Alkoholvorrats
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Die inzwischen massiven Kontrollverlusterfahrungen ebenso wie das inzwischen schon existentielle seelische Bedürfnis Alkohol jederzeit greifbar zu haben, veranlassen den Alkoholiker, seinen Alkoholvorrat immer zu sichern, wobei er je nach Lebenssituation spätestens jetzt auch dazu übergeht, ihn zu verstecken. |
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26. Vernachlässigung angemessener Ernährung
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Da der Alkoholiker immer mehr gedanklich und in seinem Handeln um den Alkohol kreist und sich darüber hinaus auch erste Auswirkungen des Trinkens auf den Organismus bemerkbar machen (Appetitlosigkeit), beginnt er auch allmählich, seine Ernährung zu vernachlässigen. In Trinkphasen isst er häufig unregelmäßig oder gar nicht oder ernährt sich überwiegend von Fastfood oder Fertigprodukten. |
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27. Erste med. Behandlungen werden notwendig
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Beim Alkoholker werden die ersten organischen Schäden akut wie z. B. Gastritits (Magenschleimhautentzündung), Leberschäden, vegetative Dystonie (Neigung zu Herzrasen, Blutdruckschwankungen, vermehrtes Schwitzen u. ä.), oder es treten alkoholbedingte Unfälle und Verletzungen auf, so dass ambulante oder stationäre ärztliche Behandlungen notwendig werden. Es kann auch zu ersten ambulanten oder stationären Entgiftungen kommen. |
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28. Veränderungen im Sexualverhalten
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Hat zu Beginn die Alkoholwirkung noch dazu beigetrragen, sexuelle Hemmungen abzubauen und damit möglicherweise zu einer Steigerung sexueller Aktivitäten geführt, zeigt sich im Rahmen der allgemein zugenommenen Initiativlosigkeit des Alkoholikers jetzt eher ein verringertes bis völlig geschwundenes Interesse an Sexualität. Oft führen auch die "Alkoholfahne" und die alkohol-bedingten körperlichen Ausdünstungen zu einer gegenseitigen Vermeidung körperlicher Annäherung. Bei Männern führt die anhaltende organische Vergiftung nicht selten auch dazu, dass sie nicht mehr in der Lage sind, den Geschlechtsakt durchzuführen (Impotenz). |
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29. Alkoholische Eifersucht
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Im Zusammenhang mit dem unter Punkt 28 beschriebenen Verhalten und insbesondere auch durch den vom Alkoholiker selbst wahrgenommenen Verfall der eigenen Attraktivität zeigen Betroffene nicht selten unbegründete eifersüchtige Reaktionen. Dem Partner wird unterstellt, er strebe nach einem attraktiven Ersatz oder habe diesen bereits gefunden. Dies kann sich zur "fixen Idee" entwickeln. |
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30. Morgendliches Trinken
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Aufgrund des sich immer stärker ausprägenden Kontrollverlustes führt der nach vorabendlichem Trinken über Nacht abgesunkene Alkoholspiegel, verbunden mit der zunehmenden Angst, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können, dazu, dass der Alkoholiker bereits in den Morgenstunden oder am Vormittag einen fast unwiderstehlichen Drang zum Trinken versprürt, dem er immer häufiger nachgibt. |
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